Ohne Felder fällt das Überleben schwer

Ohne Felder fällt das Überleben schwer
Interview Landwirt Patrick Stappert über ein mögliches Baugebiet und seine Folgen

Patrick Stappert ist Sindlingens einziger Vollerwerbslandwirt. Eine erste urkundliche Erwähnung der Familie in Sindlingen reicht bis ins Jahr 1651 zurück. Der 31-Jährige betreibt den elterlichen Hof in fünfter Generation. „Wir waren immer Landwirte und Zimmerleute“, sagt er. Patrick Stappert lernte zunächst Zimmermann und betrieb die Landwirtschaft im Nebenerwerb. Doch trotz der Unterstützung durch die Eltern ließen sich die beiden körperlich anstrengenden Arbeiten auf Dauer nicht gleichzeitig durchhalten. 2010 entschied sich Stappert, den Ackerbau im Vollerwerb zu betreiben. Parallel zur täglichen Arbeit auf den Feldern absolvierte er an einer Winterschule eine landwirtschaftliche Ausbildung und ist nun staatlich geprüfter Landwirt. Ob er als solcher eine Zukunft hat, hängt nicht nur vom Wetter, EU-Richtlinien, Preisen und dem eigenen Geschick ab, sondern auch davon, ob ihm genügend Felder bleiben. Das vom Frankfurter Stadtparlament ins Auge gefasste Baugebiet am Sindlinger Ortsrand würde die für die Landwirtschaft verfügbare Fläche massiv verringern. Stappert wäre einer der Hauptbetroffenen. Heide Noll hat mit ihm über das Thema gesprochen.

Monatsblatt: Herr Stappert, die Stadt will wachsen. Was haben Sie gegen 2000 neue Wohnungen am Ortsrand?

Patrick Stappert: Mehreres. Zum Beispiel entfällt eine wichtige Frischluftschneise für Sindlingen. Eine zweite Hermann-Brill-Straße kann niemand wollen. Und wo Ackerland in Bauland umgewandelt wird, ist es unwiederbringlich verloren. Gerade die Felder zwischen den Bahngleisen haben eine Bodenqualität wie in der Wetterau. Dort wächst alles. Kartoffeln, Luzerne, Zuckerrüben. Einerseits wollen die Menschen regionale Produkte kaufen, andererseits verliert die Landwirtschaft Jahr um Jahr Flächen; es gibt sogar Kommunalpolitiker, die meinen, dass Frankfurt keine Landwirtschaft brauche! Die 30 Hektar, die da entfallen würden, hätten für mich einen fünfzehn- bis zwanzigprozentigen Einkommensverlust zur Folge. Das wäre ein herber Einschnitt.

Monatsblatt: Würden Sie denn nicht vom Verkauf der Flächen an die Stadt profitieren?

Patrick Stappert: Nein, das ist alles gepachtet. Ein Ersatz wäre kaum zu bekommen und wahrscheinlich auch viel zu teuer.

Monatsblatt: Sie stehen mit ihrer Ablehnung des Baugebiets ziemlich allein. Im Stadtparlament wurde mit großer Mehrheit beschlossen, einen Bebauungsplan aufstellen zu lassen. Lediglich die Junge Union West, der Sie angehören, hat sich dagegen ausgesprochen. Glauben Sie, dass Sie eine Chance haben, das Vorhaben zu verhindern?

Patrick Stappert: Nein, ich zähle nicht, das ist mir bewusst. Aber es gibt Anderes, das nicht so leicht vom Tisch zu wischen ist. Der Feldhamster zum Beispiel, der unter Artenschutz steht und hier vorkommt. Er ist nicht einfach umzusiedeln. Oder die Seveso-Richtlinie, die bislang eine Bebauung in dieser Distanz zu einem Chemiewerk untersagte. Eigentlich sollte sie neu gefasst und der Radius verringert werden; nur dann könnte Wohnungsbau an dieser Stelle genehmigt werden. Aber da hört man bislang nichts. Drittens unterschätzen die Frankfurter die Schwierigkeiten mit der Anbindung. Ein großes, neues Wohngebiet durch die engen Wohnstraßen der bestehenden Siedlung anzubinden, das geht gar nicht! Die Zufahrt müsste von Süden her erfolgen, über die Bahngleise. Der Bau einer Unterführung wäre mit extrem hohem Aufwand verbunden. Dort verlaufen Strom-, Gas- und Wasserleitungen und nicht zuletzt der große Kanal, auch als Abfangsammler West bekannt. Ob Unter- oder Überführung: Dadurch würden sich die Kosten für die Anlage eines Baugebiets enorm erhöhen.

Monatsblatt: Alles richtig. Aber gibt es überhaupt Alternativen zu einem Neubaugebiet?

Patrick Stappert: Ja, es gibt sogar einfachere Wege, Wohnraum zu schaffen. In den Ortskernen stehen viele Häuser leer. Aber die extremen Auflagen schrecken potentielle Interessenten ab. Ein praxisorientiertes Baurecht könnte da viel ausrichten und wäre wünschenswert – auch im Sinn der Belebung des Altbaubestands.

Monatsblatt: Herr Stappert, vielen Dank für das Gespräch.

Patrick Stappert.Fotos: M.Sittig

Patrick Stappert.Fotos: M.Sittig

Wo ist der Feldhamster

Wo ist der Feldhamster