1225 Jahre Sindlingen: Naturalien und Frondienste

SERIE 1225 Jahre Sindlingen, Teil 2

Naturalien und Frontdienste: Das harte Leben der Hörigen

Im Jahr 791 nach Christus taucht eine frühe Form des Namens „Sindlingen“ in einer Urkunde auf. Deshalb feiern wir nun das mindestens 1225-jährige Bestehen unseres Dorfes. Interessante Details dieser langen Geschichte lesen Sie in dieser Serie des Heimat- und Geschichtsvereins. Heute: Teil 2, Mittelalter

Von Dieter Frank

Vor circa 1000 Jahren war Sindlingen fast ausschließlich durch die Landwirtschaft geprägt. Die hier lebenden Bauern waren in der Regel „Hörige“, das heißt sie waren keine freien, sondern abhängige Bauern, abhängig von einem Grundherrn, der ihnen Schutz und Rechtssicherheit bot. Dafür mussten diese Bauern ihm Abgaben in Form von Naturalien leisten.

Dazu gehörten zum einen die jährlichen Abgaben. Der Leibzins war zum Beispiel ein Huhn. Zu den Naturalabgaben zählten Getreide, Milchprodukte und Vieh. Je nach Größe des Landes kam noch ein Bodenzins hinzu. Zusätzlich musste an die nächste Kirche oder das nächstgelegene Kloster der zehnte Teil aller Erträge abgeliefert werden, der sogenannte Zehnt.

Der zweite wichtige Bereich war der Frondienst. Fron bedeutet „dem Herren gehörig“. Die Bauern mussten also auf dem Gut des Lehnsherrn helfen, zum Beispiel bei der Aussaat oder der Ernte. Diese Arbeit konnte bis zu vier Tage in der Woche ausmachen! Ihre Hilfe mussten die Bauern außerdem beim Brücken- und Wegebau zur Verfügung stellen.

Schließlich gab es noch die besonderen Abgaben. So musste der Bauer eine Abgabe leisten, um eine Heiratserlaubnis zu bekommen. Sogar beim Tod des Bauern, dem „Todfall“, (oder wenn der Hof an einen anderen Bauern übergeben wurde, etwa bei Krankheit des Bauern) wurde eine Abgabe fällig, nämlich „Besthaupt“ (das beste Stück Vieh) und „Bestgewand“, das beste Kleidungsstück.

Dabei gab es nicht nur einen, sondern mehrere Grundherren, deren Besitzungen in der Gemarkung verstreut lagen. Wichtige (geistliche) Grundherren waren zum Beispiel die Klöster Fulda, Lorsch und Limburg (Pfalz!), das Stift Obermockstadt und das St. Petersstift in Mainz. Bekannt ist insesondere noch der Zehnthof neben der Pfarrkirche St. Dionysius, dort, wo heute die Seniorenwohnanlage steht (Das heutige „Herrenhaus“ steht an der gleichen Stelle wie das ehemalige). Hier mussten die Bauern ihre Abgaben einbringen. Von circa 1500 bis 1800 war er der zentrale Abgabeort für die Sindlinger Bauern. Im 19. Jahrhundert wurden die entsprechenden Besitzungen nassauischer, beziehungsweise ab 1866 preußischer Domänenbesitz.

Daneben gab es noch ein Ortsgericht, das für niedere Vergehen zuständig war. Ab etwa 1350 geht die Gerichtsbarkeit aber mehr und mehr an das Amt Hofheim über. Stadtteilhistoriker Adalbert Vollert erwähnt in seinem Buch über Sindlingen, dass im Zeitraum 1425 bis 1500 die Namen von insgesamt 243 Sindlingern protokolliert sind, allerdings in unterschiedlichsten Zusammenhängen.