„Ach, wie gut“ – Sport für Körper und Seele

„Ach, wie gut“ – Sport für Körper und Seele

Turnverein In der Herzsportgruppe stärken die Teilnehmer Ausdauer, Koordination und Konzentration

Es geht los. Schlagartig wird es still in der Turnhalle der Meisterschule. Hiltrud Lippert-Braunschweig blickt auf die Uhr, zählt die Sekunden. Die Frauen und Männer, die im Kreis um sie herum stehen, drücken die Finger der einen Hand auf die Pulsader der anderen und zählen die Schläge. Das Ergebnis mal vier genommen sollte nicht höher als 80 sein. „Keiner über 80? Gut. Dann los“, schickt die Übungsleiterin der Herzsportgruppe im Turnverein ihre Schützlinge zum Warmmachen.

Das fängt damit an, dass alle kreuz und quer zu Musik durch die Halle marschieren. Dann wird erweitert. Jetzt klatschen sie einander ab, dreimal mit erhobenen Händen. Anschließend oben, Mitte, unten, dann mit nach oben und nach unten gekehrten Händen. Die Anforderungen steigen. Konzentration ist gefordert. „Hier geht es darum, Ausdauer, Koordination und Konzentration zu stärken“, erklärt die Übungsleiterin. Das gestaltet sie möglichst spielerisch, denn „im Spiel merkt man gar nicht, dass man Sport macht“, sagt sie augenzwinkernd. Tatsächlich haben etliche in der Runde früher nie Sport getrieben. Irgendwann begannen die Probleme.

„Hier hat jeder ‚was an der Pumpe“, sagt Helmut Schmitz, 70 Jahre alt. Der Zeilsheimer erlitt 2010, fünf Tage nach dem Wechsel in den Ruhestand, einen Herzinfarkt. Helmut Dörnbach war anfangs nur Begleiter für seine Frau, dann bekam auch er Herzprobleme und ist jetzt selbst aktives Mitglied. „Die Herzsportgruppe besteht seit 2014. Sie ist für Leute gedacht, die einen Herzinfarkt hatten, eine Herzklappe ersetzt bekommen haben, Bypass-Operationen oder Stents haben“, erläutert Renate Ahlers-Zimmermann. Die Sindlinger Ärztin ermutigt viele ihrer Patienten mit entsprechenden Problemen dazu, sich der Herzsportgruppe anzuschließen. „Sport ist lebensverlängernd und beugt weiteren Infarkten vor“, sagt sie.

Das beste Argument, regelmäßig in die Übungsstunde zu gehen, ist aber die gute Laune, die hier herrscht. „Nach einmal Schnuppern sind die meisten schon überzeugt und bleiben dabei“, weiß sie.

Als betreuende Ärztin der Gruppe ist Renate Ahlers-Zimmermann jeden Donnerstag von 19.15 bis 20.15 Uhr in der Turnhalle dabei. Defibrillator und Notarztkoffer liegen immer bereit, das ist Vorschrift bei diesem von den Krankenkassen geförderten Kurs. Außerdem üben die rund 25 Teilnehmer regelmäßig eine Notfallkette. Dann greift einer das bereit liegende Handy, um den Rettungsdienst zu rufen, andere gehen vor die Tür, um den Rettungswagen einzuweisen, und wieder andere unterstützen die Ärztin bei der Herzmassage. Zum Glück ist das bislang alles noch nicht nötig gewesen. Hiltrud Lippert-Braunschweig ist eine erfahrene Trainerin, die genau weiß, was sie ihren Schützlingen zumuten kann und was nicht. Viele Übungen stammen aus der Gymnastik, nur, dass alles langsamer und mit mehr Pausen abläuft. Es gibt keinen Zwang, wer sich setzen oder ausruhen möchte, macht das einfach. „Ich kann noch alles mitmachen“, sagt Magdalena Möller (84). Nach einer schweren Herzoperation redeten ihr die Ärzte zu, sich einer Koronarsportgruppe anzuschließen. „Ich habe es nicht bereut. Es macht Spaß und alle sind sehr nett“, sagt sie: „Es ist ganz gut, dass ich hier gelandet bin“. Das findet auch Wolfgang Tautermann (75). „Der Zusammenhalt ist toll“, sagt er. Alle geben sich viel Mühe bei den Übungen, „und dass die Frau Doktor mitmacht, ist uns ein Ansporn“, findet er. „Herzsport? Da gehe ich nicht hin, das ist etwas für alte Leute, dachte ich nach einem Besuch in einer Hofheimer Gruppe“, berichtet Wolfgang Mittelmann (71). Dann wechselte er den Arzt, versuchte es in Sindlingen nochmal, „und ich bin dabei geblieben“, sagt er. Alle sind sehr zufrieden mit den abwechslungsreichen Übungen, die Hiltrud Lippert-Braunschweig stets parat hat.

Heute hat sie ein Zirkeltraining vorbereitet. Nach einer Trink- und Entspannungspause besetzten die Teilnehmer paarweise die Stationen. Hier balanciert eine auf einem Ballkissen und muss gleichzeitig einen Ball fangen. Dort steigen zwei Männer im Gleichschritt auf eine Kiste und klatschen mit den Händen an die Wand. Immer beliebt sind Wurfversuche am Basketballkorb oder das Führen eines Balls mit dem Fuß im Slalom um Hütchen. Auf eine Minute Belastung folgt eine Minute Pause, in der die Station gewechselt wird. Im Nu ist die Stunde fast vorbei. Zum Abschluss massieren sich die Teilnehmer noch gegenseitig mit Tennisbällen, dazu läuft entspannende Musik. „Ach, wie gut“, seufzte eine Dame – und alle lächeln. Bis nächste Woche dann, auf einen schönen Abend in der Herzsportgruppe! hn

Der Puls ist gut: Renate Ahlers-Zimmermann und Magdalena Möller.

Der Puls ist gut: Renate Ahlers-Zimmermann und Magdalena Möller.

Konzentration: Helmut Dörnbach, Helmut Schmitz und Übungsleiterin Hiltrud Lippert-Braunschweig.

Konzentration: Helmut Dörnbach, Helmut Schmitz und Übungsleiterin Hiltrud Lippert-Braunschweig.

Koordinationsübung mit Ball und Stangen. Fotos: Michael Sittig

Koordinationsübung mit Ball und Stangen. Fotos: Michael Sittig