Glückliche Kühe, Pferde, Hühner und Schafe
Glückswiese Lebenshof für Tiere, die sonst beim Abdecker oder im Kochtopf landen würden
Sindlingen hat seinen Einwohnern einiges an Geschäften und Dienstleistungen zu bieten. In einer Serie stellen wir die Mitgliedsbetriebe der Fördergemeinschaft Handel, Handwerk und Gewerbe vor. Heute: die Glückswiese
Im Stall schlafen Schweine, auf dem kleinen Reitplatz traben ein paar Ponys, Pferde stehen um die Heuraufe herum und futtern. Zwei Kühe liegen im Stroh und käuen wieder. Eine Gans verteidigt ihr Gelege mit scharfem Zischen gegen zwei gutmütige Hunde. Es riecht leicht nach Dung.
Die Bauernhof-Idylle wie aus dem Bilderbuch liegt an der Okrifteler Straße außerhalb, hinter der Unterführung auf der linken Seite, und ist für Familien mit Kindern ein beliebter Anlaufpunkt Das Tierparadies heißt „Glückswiese“ und gehört Isabell Müller-Germann und Norbert Müller.
Familie Müller betreibt seit Generationen einen Bauernhof in Sindlingen. In den Wingerten am südlichen Ortsrand hat Isabell Müller-Germann (33 Jahre), die aus einer Kelsterbacher Landwirtschaftsfamilie stammt, zunächst eine Koppel und einen Unterstand für ihren Schimmel „Maus“ angelegt.
Bald gesellte sich die Schimmelstute „Lovely“ dazu. „Schon am zweiten Tag war sie stocklahm“, sagt sie. Zurückgeben wollte sie sie aber nicht. „Dann kamen immer mehr Pferde dazu“, berichtet sie: ein halb verhungerter Schecke, Fuchsstute „Una“, die nach der Geburt von 14 Fohlen zum Metzger gekommen wäre, Ponys. Müllers richteten weitere Parzellen für die Tiere her, und bald auch weitere Unterkünfte. Drei Quessant-Schafe, die der Vorbesitzer hatte verwahrlosen lassen fanden hier ein neues Heim und bekamen bald Nachwuchs. „Wir waren alle zwei Stunden hier, um die Lämmer mit der Flasche zu füttern“, erzählt die Tierschützerin. Mit dem Nuckel aufgezogen hat sie auch Benny und Helene. Die Kälber wären sonst in der Diätmast gelandet.
Heute bevölkern rund 50 Tiere den Gnadenhof, die andernfalls beim Abdecker, in Versuchsanstalten oder der Lebensmittelverarbeitung gestorben wären. Potentielle Weihnachtsgänse und Suppenhühner, die nach ihrem Jahr in der Legebatterie von der Vereinigung „Rettet das Huhn“ freigekauft und nach Sindlingen gebracht worden sind. Die „Glückswiese“ brachte ihnen allerdings kein Glück. „Die ersten hat der Fuchs geholt“, sagt die Landwirtin und Biologin. Jetzt lebt das Federvieh auf dem Bauernhof innerorts, zusammen mit dem ehemaligen Weilbacher Kerwegickel. Am südlichen Ortsrand ist auch der ehemalige Kerwehammel Kai-Uwe heimisch geworden. Wie die anderen Tiere verbringt er dort seinen Lebensabend. „Lebenshof“ nennt daher Isabell Müller-Germann die „Glückswiese“: „Die Tiere dürfen hier einfach sein.“
Das gilt auch für Menschen. In der „Pferdezeit“ können Kinder und Erwachsene „Zeit mit Pferden verbringen. Sie streicheln, kennenlernen, reiten“, sagt sie. Das hat so viele Anhänger gefunden, dass mittlerweile jeden Tag Betrieb herrscht.
Corinna Groh und Charleen Rothkugel kümmern sich um das Reiten mit den Kindern. Schülerpraktikanten und Eltern von Reitkindern helfen bei der Versorgung der Tiere und dem „Abäppeln“, der Beseitigung des Pferdedungs. Der Mist landet als Dünger auf den Feldern und andere Abfälle als Futter für die Schweine. Ehemann Norbert, Landwirt im Nebenerwerb, baut selbst Heu und Getreide fürs Futter an. „Mittlerweile bringen uns auch viele Menschen Körner und Grünzeug“, ist Isabell Müller dankbar für die Unterstützung.Besonders beliebt ist das Gelände für Kindergeburtstage.
Einnahmen und Ausgaben halten sich in etwa die Waage. Ihre Arbeitszeit rechnet die Besitzerin dabei nicht ein. „Es ist eine Sieben-Tage-Woche, und ich darf nie krank werden“, sagt Isabell Müller-Germann, die aus Überzeugung vegan lebt.
Ihren Job am Max-Planck-Institut hat sie an den Nagel gehängt. „Mein Herz hängt hier dran“, sagt Isabell Müller-Germann. Die Biologin geht voll und ganz in der Arbeit auf der „Glückswiese“ auf. Nur früh morgens nimmt sie sich zwei Stunden Zeit für ihre Doktorarbeit über Bio-Aerosole. Sobald es hell ist, fährt sie aufs Farmgelände zum Füttern, Säubern, Misten, Wasser pumpen. An Urlaub ist nicht zu denken. „Aber hier draußen ist es ja manchmal wie Urlaub“, findet sie: „Das alles macht mir einen Riesenspaß, ich möchte nichts anderes machen“. hn
Abendsonne auf der Glückswiese
Isabell Müller-Germann und Sohn Julian verbringen viel Zeit mit den Tieren. Fotos: Michael Sittig